Von LARP-Klamotten und Krippenspelkostümen

Von LARP-Klamotten und Krippenspelkostümen

Zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.
Epheser 4,24


Jedes Jahr wieder stehen wir vor der Herausforderung, die immer gleiche Geschichte von der Geburt Jesu mit Maria, Joseph, den Hirten, den Engeln, Schafen und gerne auch Ochs, Esel und Herbergsvater, manchmal sogar Herodes, komplett mit drei Königen und Hofstaat in den Chorraum unserer Kirche zu bringen. In unserer Gemeinde haben wir natürlich einen großen Vorteil. Ein gut gefüllter LARP-Fundus liegt auf dem Dachboden des Gemeindehauses bereit. Was die Ausstattung angeht, können wir gefühlt mit Oberammergau mithalten. Die Darsteller sind nicht immer so ambitioniert. Teils Konfis, teils Ehrenamtliche aus der Jugendarbeit, fällt ihre Begeisterung für die darstellende Kunst sehr unterschiedlich aus.

Wenn wir mit den Proben beginnen, heißt es erst einmal sortieren. Wer ist wer? Die Darstellerin der Maria muss sich daran gewöhnen mit „ihrem Joseph“ zu reden, die Engel, die eigentlich Teenager sind und sich kaum zurückhalten können, im Minuten-Takt ihre Messages auf dem Handy zu
checken, sollen sich in engelsgleichem Verhalten üben, und die Hirten diskutieren, welcher von ihnen der mit dem langen Text sein soll.
Wenn ich es nicht alle Jahre wieder erlebt hätte, dass selbst die wuseligste und verwirrteste Truppe von Laiendarstellern es am Ende schafft, lebendige Verkündigung hinzukriegen, wenn sie genug geprobt haben und das Stück sich endlich zusammensetzt, wäre dies der Moment, das wahnwitzige Unterfangen abzubrechen.


Die große Veränderung tritt meist ein, wenn wir zum ersten Mal mit Kostümen proben. Ein langes Kleid, über das man nicht stolpern möchte, lässt den Schritt gemessener werden. Ein Engelsgewand hat keine Taschen für das Handy. Eine Krone auf dem Kopf zwingt zu aufrechter Haltung. Mit dem Gewand kommt das Gefühl für die Figur, die dargestellt wird.
Egal ob Liverollenspiel oder Krippenspiel: Kleider machen Leute. Ob Arbeitskleidung, Festgewand oder Pfadfinderkluft, Kleidung macht etwas mit demjenigen, der sie trägt, und gibt eine Botschaft weiter an den Betrachter. Ob diese immer so recht verstanden wird, steht auf einem anderen Blatt.
Im Epheserbrief werden wir aufgefordert: „Zieht den neuen Menschen an!“
Als Christ – mit der Taufe – bekommt man also neues Outfit.
Ein Outfit, das uns zu einem neuen Menschen machen soll.
Ein Outfit, das auch im Alltag funktioniert.
Aus Erfahrungen mit Verkleidungen, Kostümen und Gewandungen weiß ich, dass es da große Qualitätsunterschiede gibt. Verkleide ich mich nur mit einem einfachen nicht alltagstauglichen Kleidungsstück wie etwa einem Karnevalskostüm, werde ich durch rutschende Schultern, kneifende Nähte und Rocksäume, über die man stolpert, behindert. Wärmen wird es mich auch nicht, wenn es aus billiger, synthetischer Faser gefertigt ist. Dann werde ich dauernd daran erinnert, dass ich ungewohnte, seltsame, untaugliche Kleidung trage.
Theaterkostüme sind so geschneidert, dass sie für zwei oder drei Stunden auf der Bühne etwas hermachen und schnell an- und ausgezogen werden können. Den Betrachter vermögen sie vielleicht zu überzeugen. Alltagstauglich sind solche Bühnenkostüme nicht. Eine richtige verwandlung geht erst vor, wenn ein Gewand auch zu mir passt. LARPer nähen darum oft selbst oder stellen die Einzelteile ihrer Gewandung sehr sorgsam zusammen. Kleidung, in der ich ein ganzes Wochenende oder sogar länger herumlaufe, darf keine Verkleidung sein. Material und Schnitt müssen stimmen, meist sind mehrere Lagen übereinander zu bedenken.
In meinen LARP-Klamotten fühle ich mich zu Hause und schlüpfe schon beim Anziehen in die Person, die ich nun sein werde.
„Zieht den neuen Menschen an!“, werden wir aufgefordert. Und das kann auf Dauer nur funktionieren, wenn dieser „neue Mensch“ auch passt. Das gelingt nur, wenn wir ihn uns nicht von anderen überstülpen lassen und ihn nicht nur ab und zu mal für einen Gottesdienst hervorkramen, sondern er für uns zum Alltagskleid wird. Wir können daran arbeiten, dass der „neue Mensch“, der Christ/die Christin, uns auch im Alltag passt.
Ein Krippenspielkostüm könnte ich auch am 23. Dezember noch vom Dachboden holen, aber besser ist es, wenn sich die Darsteller von Maria, Joseph und den Engeln an die ungewohnte Bekleidung schon ein paar Proben länger gewöhnen durften.
Das Christsein sollte ein Outfit sein, das auch nach außen hin wahrnehmbar sein kann und das innerlich etwas mit uns macht. Das möchte ich nicht nur für den Weihnachtsgottesdienst überziehen. So, wie ich an meinen LARP-Klamotten immer wieder arbeite und sie verbessere und erweitere, so will ich erst recht daran arbeiten, dass der neue Mensch gut sitzt und in allen Lebenslagen tauglich ist.

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